Die Revolution frisst ihre Kinder

Die wirtschaftlichen Veränderungen der letzten Jahrzehnte haben massive Auswirkungen auf unsere Gesellschaften. Schaffen wir das?

Noch einmal zu den Fakten:

  • Computer und alle verwandten Gerätschaften lassen die Welt schrumpfen
  • Kommunikation, auch mit entlegen lebenden Menschen, ist praktisch überall und ständig verfügbar
  • Das verfügbare Wissen, die Vernetzung mit anderen Anwendern, lässt uns glauben, mit wenigen Eingaben das gesamte Wissen der Menschheit zu besitzen und natürlich nutzen zu können
  • Arbeit verändert sich und wird vielerorts leichter und effizienter
  • Selbst bisher dem Menschen vorbehaltene Bereiche werden nun für Maschinen erschlossen und/oder „erleichtern“ das Dasein
  • Unangenehme Tätigkeiten (z.B. auch Alten- und Krankenpflege) können von Maschinen übernommen werden – bei gleichbleibender „Freundlichkeit“ und niemals ermüdender „Fürsorge“
  • Lästige und langweilige Arbeiten können an Maschinen abgegeben werden – ganz im Sinne ihrer früheren Übertragung auf Sklaven
  • Roboter übernehmen auch soziale Tätigkeiten klag- und vorwurfslos und dringen in intimste Bereiche menschlichen Daseins ein
  • Aber – bislang als sicher geltende Formen der Arbeit, also der Möglichkeit das tägliche Leben zu finanzieren, verschwinden ersatzlos
  • Wir lassen uns zu allem Überfluss von Programmen, Applikationen und den dazu notwendigen Gerätschaften entmündigen und unser Leben somit fremdgestalten

Eine der Fragen, die sich stellt, ist, was diese Entwicklung ausgelöst und sie mit so großer Heftigkeit vorangetrieben hat? Eine einfache Antwort ist nicht möglich, da hier viele Faktoren und ihr Zusammenwirken eine Rolle spielen. Letztendlich könnte es der Wunsch gewesen sein, alles zu besitzen (Wissen, Güter, Macht). Natürlich ohne wirklich dafür wirklich etwas leisten zu müssen – also beinahe märchenhaft.

Ein weiterer Faktor könnte unsere „Geiz ist Geil“-Mentalität sein. Sie zwingt Hersteller zuerst in billigeren Ländern produzieren zu lassen, um dem „preisbewussten“ Kunden entgegenkommen zu können. Später werden dann auch diese Arbeitsplätze durch automatisierte Fertigung gestrichen. Maschinen arbeiten klaglos 24 Stunden am Tag, werden nicht müde oder krank und bedürfen vergleichsweise wenig Service. Und schon sitzen auch in China einfache Arbeiter auf der Straße oder werden zurück in ihr Heimatdorf geschickt, denn staatliche Ausbeutung funktioniert seit jeher am besten in totalitären Systemen.

Aus der Sicht eines Herstellers ist Preiskampf vor allen Dingen eine der Ursachen, weniger Profit zu erzielen und dadurch am Ende gegenüber der Konkurrenz ins Hintertreffen oder vielleicht sogar in Überlebenskämpfe zu geraten. Daher bleibt, betriebswirtschaftlich gesehen, nur ein Ausweg: um jeden Preis billiger produzieren!

Maschinen sind hier der ideale „Partner“. Die Kunden danken es, indem sie weiter „der Marke vertrauen“ und kaufen…

Dass so etwas zu einer Spirale werden kann, die sich verselbständigt, leuchtet ein. Ja, diese Spirale hat sogar die Tendenz sich zum Sturm zu entwickeln und viele, bislang sicher geglaubte, Arbeitsplätze einfach mit sich zu reißen. Vielleicht aber wird es gar kein Sturm, sondern eine sich, mit zunehmender Geschwindigkeit fortsetzende Entwicklung – das Resultat bleibt das Gleiche.

Wenn die fortschreitende Automation und IT-Technik Arbeitsplätze eliminiert, ohne neue Vollzeitarbeitsplätze entstehen zu lassen, werden Menschen ihres Tauschmittels (Arbeit) beraubt und in würdelosen, finanziell prekären Situationen zurückgelassen. Nur wer über genügend technisches Wissen und Verständnis verfügt, also ein Spezialist ist, wird dann noch Aufgaben finden. Kein Problem, meinen manche. Aber, war nicht der Anteil der technisch Interessierten in der eigenen Schulzeit relativ gering? Physik, Chemie, Mathematik – waren das nicht die Schreckgespenster des Unterrichts?

Mit anderen Worten: In der Entwicklung und Fertigung von Produkten jedweder Komplexität bzw. Qualität werden am Ende wohl nur die ehemaligen „Streber“ bestehen können. Worauf sich alle anderen stützen und verlassen können bleibt, wie bislang, ungeklärt.

Klingt das arrogant? Ich denke, nein! Eher unangenehm. Wahrheit ist häufig nicht schön und kann sowohl den Adressaten als auch den Überbringer verletzen. Doch auch wenn es vielleicht nicht so schnell oder drastisch kommt: Wegsehen ist definitiv der falsche Weg. Auch die Überzeugung, dass jede industrielle Revolution wieder neue Arbeitsplätze schafft, muss intensiv überdacht werden. Es mag ja sein, dass auch durch Industrie 4.0 (und folgenden) neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Fragt sich nur: Wie viele und welche werden das sein?

Was also tun? Wie können wir mit dieser Situation heute und in der Zukunft umgehen? Wie bringen die Zauberlehrlinge ihre Besen dazu, vielleicht sogar bessere Verhältnisse zu schaffen? Anders ausgedrückt, welche Aufgaben könnten wir übernehmen, wenn wir uns selbst die Arbeit wegnehmen?

In der heutigen Zeit sind viele desorientiert und verunsichert. Sie spüren, dass mit einschneidenden Veränderungen zu rechnen ist. Daher gehören Existenz- und Verlustängste mittlerweile zum Alltag.