Architektur und elektroakustisch optimierte Raumakustik

Aspekte zweier wenig kongruenter Bereiche, die häufig zu intensiven Diskussionen führen

Wohl Center der Bar-Ilan Universität in Ramat Gan bei Tel Aviv (Photo: Bernd Noack)

Wohl Center der Bar-Ilan Universität in Ramat Gan bei Tel Aviv.

Photo: Bernd Noack

Hierzu ein Beispiel aus der Praxis. Auf dem Gelände der Bar-Ilan Universität bei Tel Aviv fällt das Wohl Center ins Auge – ein Konferenz- und Veranstaltungsgebäude des international renommierten Architekten Daniel Libeskind. Das Gebäude ist außergewöhnlich, ästhetisch, einmalig. Wie es sich für eine Universität gehört, sollte der große Hörsaal für unterschiedlichste Veranstaltungsvarianten genutzt werden. Dabei sollte gewährleistet sein, dass neben Konferenzen und Vorträgen auch Theater- sowie Musikaufführungen jeglicher Couleur zu einem einmaligen und unvergesslichen Erlebnis werden.

Der geplante Saal zeichnet sich durch viele Ecken, schiefe Ebenen, Winkel, überstehende Balustraden und eine unsymmetrische Raumgestaltung aus. Es wurde allerdings schnell klar, dass die angestrebte Verständlichkeit und der Hörgenuss im Hinblick auf die zahlreichen Nutzungsvarianten in vielen Bereichen nicht der optischen Qualität des Raumes entsprochen hätten.

Eine Lösung wäre gewesen, mit akustisch wirksamen Ampeln und mit Lautsprechern Abhilfe zu schaffen. Sichtbare Lautsprecher hätten allerdings den optischen Eindruck des Saales gestört und kamen deshalb nicht in Frage.

Um die gesteckten Ziele trotzdem zu erreichen, gab es in der Findungsphase unterschiedlichste Vorschläge und Konzepte, die aber meist nur eine Veranstaltungsart optimal unterstützt und die anderen dabei in erheblichem Maß beeinträchtigt hätten.

Ausgehend vom Entwurf und den Vorgaben des Architekten wurde ein Konzept entwickelt, das sich der akustischen Defizite annahm und eine individuelle Lösung für alle Nutzungsvarianten bot. Diese wurde im Jahr 2005 in Betrieb genommen und gestattet seither die vollumfängliche Nutzung dieses architektonischen Juwels.

Der Hörsaal des Wohl Center der Bar-Ilan Universität bei Tel Aviv: Lautsprecher und Mikrofone des Systems für Aktive Akustik sind unauffällig in die Decke des Hörsaals integriert und lassen den Blick frei auf die anspruchsvolle Architektur. Photo: Yoni Reif

Der Hörsaal des Wohl Center der Bar-Ilan Universität bei Tel Aviv: Lautsprecher und Mikrofone des Systems für Aktive Akustik sind unauffällig in die Decke des Hörsaals integriert und lassen den Blick frei auf die anspruchsvolle Architektur.

Photo: Yoni Reif

Was also wurde getan?

Die Auftraggeber forderten Gutachten an und die tschechischen Akustiker Zdenek Kešner und Michael Antek schlugen ein ungewöhnliches akustisches Konzept vor. Durch veränderte Materialien und Flächenabsorber im Innenraum wurden in der Simulation zuerst unerwünschte akustische Nebeneffekte und Reflektionen eliminiert. Hierdurch wurde eine weitgehend homogene, wenn auch verhältnismäßig nachhallarme Akustik geschaffen.

Als entscheidende Maßnahme planten die beiden Akustiker den Einsatz eines regenerativen Akustikprozessor-Systems. Ziel war es, dem optimierten aber zu trockenen Raum so die für die jeweiligen Veranstaltungen fehlenden frühen Reflektionen und Hall hinzuzufügen. Das Konzept folgte dem Prinzip, den realen Raum mit einem auf den Vorgaben basierenden künstlichen Raum zu umgeben und dadurch alle akustischen Faktoren auf das gewünschte und notwendige Niveau zu heben.

Der regenerative Akustikprozessor erhält seine Signale von zahlreichen Bühnen- und Raummikrofonen. Die Bühnensignale dienen dabei vor allem der Erzeugung früher Reflektionen, die für Raumempfinden, Klarheit und Verständlichkeit sorgen. Die Raummikrofone sorgen mittels einer komplexen Matrizierung im Prozessor für Diffusschall. Das Signal entspricht dann in Klang und Abklingverhalten natürlichem Raumhall und liefert hierdurch den für die Optimierung eines Schallereignisses (Musik, Sprache) passenden Raumeindruck.

Im Wohl Center wurden dazu verdeckt in Wänden und Decken installierte Lautsprecher mit einer weitwinkligen Dispersion vorgeschlagen. Hinzu kamen acht von der Decke abgehängte Podiums- bzw. Bühnenmikrofone und weitere 24 von der Decke abgehängte Raummikrofone – allesamt so gut wie unsichtbar.

Dieses Konzept überzeugte die Bauherren und auch Daniel Libeskind. Die Tatsache, dass es sich bei dem künstlichen Raum um ein optimiertes akustisches Abbild des existierenden realen Raumes handelt, der aber nun durch speicherbare Szenarien allen Nutzungsvarianten eine individuelle Akustik zur Verfügung stellt, machte alle anderen Ideen obsolet. Denn es bedeutete, dass der Raum ein hohes Nutzungspotential bereitstellt – ganz im Sinne des Betreibers.

Das Zentrum wurde daraufhin ohne sichtbare Veränderungen gebaut. Zur Zufriedenheit aller Beteiligten stimmten die akustische Simulation und die Realität in hohem Maße überein.
Bei dem im Wohl Center verwendeten System handelt es sich um ein VRAS (Variable Room Acoustic System). Ein ähnliches Ergebnis wäre genauso auch mittels des weiter fortgeschrittenen, hochmodernen AMADEUS Systems möglich gewesen.

Beide Systeme gehören zur Kategorie Aktive Akustik bzw. Akustische Architektur (engl. Architectural acoustics), denn sie bilden, ausgehend vom realen Raum, einen virtuellen Raum, der die existierende Architektur unterstützt.