Das Mensch/Maschine Interface

Bedienoberflächen von Mischpulten - alles nur eine Frage von Gewöhnung oder Marketing?

Ein Artikel wie dieser wäre vor einigen Jahren zwar denkbar gewesen, mangels einer ausreichenden Anzahl von Beispielen wahrscheinlich aber sehr spekulativ ausgefallen. Ich bin mir auch darüber im Klaren, daß ich mit diesem Artikel eventuell Öl auf das Feuer eines Glaubenskrieges gieße. Aber dieses Thema ist so interessant, daß ich mir erlaube – hoffentlich ohne Besserwisserei – einige Sachverhalte punktförmig anzuleuchten. Mittlerweile gibt es ja eine ganze Reihe von Anbietern, die alle mit digitalen Mischpulten aufwarten und dabei hoffen, ihre Lösungen am Markt durchsetzen zu können. Dabei bilden sich Lager, die sich um die jeweiligen Lösungen wie um Kondensationskerne scharen. Und die Diskussion läuft und heizt sich auf: Welche Bedienphilosophie, welche Oberfläche repräsentiert denn nun ‚des Drudels Kern‘? Welches Mensch/Maschine Interface kommt den Bedürfnissen der Anwender am nächsten? Ist es richtig, daß alles nur eine Frage der Zeit ist und wir ‚uns schon daran gewöhnen werden‘? Und natürlich, der gerne angewandte Satz: ‚Unsere Jugendlichen arbeiten ja nur noch mit der Maus – für die ist das sicher alles gar kein Problem…‘.

Bedienkonzepte

Um nun nicht in vagen Vermutungen zu stochern, sollten wir uns die vier gängigsten Konzepte, möglichst wertungsfrei, kurz vergegenwärtigen. Es ist im übrigen nicht leicht, bzw. praktisch unmöglich, diese unterschiedlichen Ansätze mit nur einem Schlagwort zu charakterisieren. Ich erhebe keinen Anspruch auf detailgetreue Wiedergabe der Konzepte. Es soll sich bitte auch niemand an dieser Simplifizierung stören, da nur eine ballastfreie Sicht auf grundsätzliche Konzepte ermöglicht werden soll. Ich habe trotzdem versucht, mit dieser leicht verständlichen Übersicht eine Diskussionsgrundlage zu liefern.

Alle genannten Konzepte repräsentieren Mischpulte mit digitaler Signalverarbeitung und digitalen Steuerungen und Steuerelementen. Da ich mir übrigens etwas Halbdigitales schlecht vorstellen kann, möchte ich grundsätzlich gerne auf vollmundiges wie ‚volldigital oder vollparametrisch‘ verzichten:

1. Der Bildschirmmixer

Alle Kanäle und Funktionen stehen auf einem Bildschirm zur Verfügung, der seinerseits eine Art Zentralbedienung darstellt. Der Übersichtlichkeit halber sieht man wahlweise einen vollständigen Kanal (wenn es nicht zu viele Optionen gibt) oder eine Anordnung von graphisch repräsentierten Pegelstellern. Bedient wird mit der Maus. Die Bediengeschwindigkeit ist Übungssache und hängt natürlich auch vom verwendeten Rechner und dessen Graphikkarte ab. Auf die Auseinandersetzung, ob hier Macs oder PCs die bessere Lösung darstellen, will ich nicht eingehen. Nachdem alles innerhalb der Steueroberfläche des Rechners abläuft, sind natürlich alle Einstellungen abspeicherbar und können auf Wunsch zu fast jeder Form von Timecode synchronisiert werden.

Geschickte Systeme erlauben zudem, die Bildschirmoberfläche selbst zu gestalten, so daß der Anwender ein ausschließlich auf ihn zugeschnittenes Interface (sprich Bedienschnittstelle) erhält. Drehknöpfe, Schalter und Fader werden mit der Maus bewegt oder aber die Werte mittels Rollbalken verändert.

Anzahl der Anbieter: Viele und in großen Qualitätsabstufungen

2. Mischpulte mit Kanalstreifen und ‚analogen‘ Bedienelementen

Dieses Konzept geht davon aus, daß der Markt von analogen Mischpulten durchdrungen ist und hat daher die bekannten Bedienelemente beibehalten und ‚digitalisiert‘. Das heißt, Kanäle sind Kanäle, mit allen bekannten Funktionen und Steuerelementen. Eine besondere Konfiguration ist nicht notwendig. Die Bedienelemente sehen analog aus, fühlen sich auch so an und haben nun den Vorteil digitale Signale zu steuern, sowie bezüglich der eingestellten Parameter vollständig abspeicherbar zu sein. Alle Funktionen lassen sich zu Timecode synchronisieren und voll automatisieren. Die Mischpulte sind so groß wie ehedem (Platz ist ja vorhanden…., oder?) und die Lernkurve der Toningenieure ist extrem flach. Über einen Computer mit Bildschirm und die üblichen Bedienelemente lassen sich die verschiedenen Projekte abspeichern und aufrufen. Ebenso kann die Mixautomation bearbeitet werden, was eine Anpassung an schnelle Änderungen in der Videonachbearbeitung möglich macht. Trotzdem kommen dem integrierten Computer geringere Aufgaben zu, und man hat die Möglichkeit, vor allem mit den taktilen Kontrollelementen zu arbeiten.

Anzahl der Anbieter: 1-2 (ohne Gewähr)

3. Die Zentralbedienungskonsole

Dieser Ansatz ist nicht mit dem Beispiel 1 zu verwechseln. Hierbei handelt es sich um Mischpulte in bekannter Größe, die zwischen 5 und 8 Bildschirme integrieren, wobei jeder für eine bestimmte Anzahl von Kanälen und Funktionen zuständig ist. Unterhalb der Bildschirme befinden sich Steuerelemente, wie Schalter, Drehgeber und Fader, die den Einsatz einer Maus überflüssig machen. Der Bildschirm zeigt in mehreren Ebenen alle gewünschten Parameter, die dann entsprechend verändert werden können. Auch hier sind anwenderspezifische Arrangements möglich, um den Arbeitsplatz an die verschiedenen Anforderungen anzupassen. Die Zentralbedienung ermöglicht den individuellen und detaillierten Zugriff auf die Parameter des angewählten Kanals. Zumeist ist sie zusätzlich in dedizierte Bedienfelder unterteilt, was wiederum die Kanalkonfiguration erheblich erleichtert. Der Kanal und die Signalbearbeitung können hiermit den Anforderungen entsprechend schnell und verhältnismäßig einfach konfiguriert werden. Eine Automation zu Timecode ist möglich, da sich alle Elemente virtuell gestalten (lassen) und der zur Verfügung stehenden Hardware zugewiesen werden können. Die Konsolen stellen quasi einen Bildschirmarbeitsplatz mit taktiler Kontrolle dar – mit einer stärkeren Wichtung der Bildschirmseite.

Anzahl der Anbieter: 2

4. Konsolen mit Bedienstreifen, Monitor und Zentralbedienung

Die Kombination der drei oben ausgeführten Ansätze nutzt deren Vorteile und erzeugt dabei eine Lösung, welche nicht nur freie Konfigurierbarkeit, zentrale Bedienmöglichkeit und schnellen, kanalbezogenen Zugriff gestattet – sie eliminiert dabei auch die eingleisigen Lösungen innewohnenden Schwächen. Diese Mischpulte erlauben, wenn vom Anwender gewünscht, die projektbezogene Gestaltung von Oberflächen per Monitor, Tastatur und Zeigeinstrument (Maus, o.a.). Die Zentralbedienung gewährt parallelen Zugriff auf alle Parameter eines Kanals, damit kritische Einstellungen, z. B. der Mikrofone, leicht und umfassend vorgenommen werden können. Die Kanalstreifen können dann für schnelle Zugriffe, wie sie ein Mixdown oder der Theaterbetrieb fordern, verwendet werden. Automation zu internem oder externem Timecode ist hierbei selbstverständlich, wie auch Steuerungen von Zuspielern und vieles mehr. Diese Mischpulte repräsentieren einen neuen und zeitgemäßen Ansatz, da sie die Erkenntnisse der letzten Jahre in der Ergonomie und Kommunikationstechnik voll ausnützen.

Anzahl der Anbieter: 2-3