Evakuierungen mit Sprachalarmanlagen

Sicherheitsgewinn durch klare, objektspezifische Ansagen Erstveröffentlichung in der WIK (Nr. 6, Dezember 2015)

Basics für Sprachansagen

Damit der Sprachspeicher einer Sprachbeschallungsanlage mit den für das Gebäude passenden „Sprachkonserven“ ausgestattet wird, sind viele Kompetenzen gefragt. Dazu gehören das Wissen zur spezifischen Brandschutzlogistik und den Räumungsplänen, Fähigkeiten zur treffenden Sprachformulierung, soziologische und psychologische Einschätzungen der Zusammensetzung und Befindlichkeit der Personen in den Gefahrenzonen, Berücksichtigung von Raumakustik, Lärmpegeln und Eigenheiten der jeweiligen Lautsprecheranlage, hohe Professionalität bei der sprecherischen Gestaltung der Ansagen im Studio.

Eine Sprachalarmierungsanlage bringt nur dann den beabsichtigten Nutzen, wenn die Ansagetexte im Ernstfall bestimmte Anforderungen erfüllen, wie etwa die folgenden:

  • Aufmerksamkeit muss hergestellt werden
  • der Grund eines Alarmes muss kurz und plausibel genannt werden, um eine Akzeptanz bei den Personen herzustellen
  • Formulierung und Sprechausdruck sollen die Autorität herstellen, die einen maximalen Befolgungsgrad erwarten lässt, ohne dabei Panik zu erzeugen
  • auf Fluchtwegbesonderheiten, Fahrstuhl-Nichtnutzung und andere spezielle Bedingungen sollte hingewiesen werden
  • Wortwahl und Satzbau sollten auf eine maximale Verständlichkeit bei allen Zuhörern ausgerichtet sein
  • auf geringstmögliche Ansagezeitdauer ist zu achten
  • Sprechtempo, Sprechrhythmus, Stimmlage und Artikulation müssen auf maximale Verständlichkeit innerhalb der spezifischen Akustik abgestimmt sein

Formulierungen wie „Achtung, wegen einer technischen Störung bitten wir Sie, das Gebäude zu verlassen!“ sind aus Expertensicht ungeeignet. Solche Standarddurchsagen bewirken nicht die nötige Klarheit bezüglich Dringlichkeit und richtigem Fluchtverhalten und bieten somit kaum Vorteile gegenüber einer etwaigen bisherigen Sirenenalarmierung.

An das Gebäude angepasste Ansagen

Hinsichtlich der genannten Anforderungen wird deutlich, dass jedes Projekt und jedes Gebäude seine ganz genau zugeschnittenen Notfallansagen benötigt. Betreiber sollten die Audioproduktion daher nicht leichtfertig dem Elektroinstallateur als Gratisleistung abverlangen. Eine Räumungsdurchsage für ein internationales Hotel wird anders ausgeführt sein müssen als für eine Diskothek, für eine Einkaufspassage anders als für einen Verkehrstunnel, für eine Grundschule anders als für ein Parlamentsgebäude, für eine Fabrikhalle wiederum anders als für einen Theatersaal.

Nur mit präziser sprachlicher und sprecherischer Anpassung an das jeweilige Objekt und dessen Nutzung kann ein Wirksamkeitsmaximum erreicht werden. Dies lässt sich auch an den genannten Beispielen verdeutlichen. So sind Hotelgäste wahrscheinlich vielsprachig gemischt, sind in ungewohnten Situationen verunsichert, vielleicht aber auch ignorant, die Evakuierungsansage erreicht sie oft allein im Zimmer, womöglich im Schlaf. Die Akustik der Hotelräume und damit die Verständlichkeitsvoraussetzung ist aber gut – sie sollten freundlich-nachdrücklich angesprochen werden, mit normalem Sprechtempo, mit sehr klar verständlichen Worten und möglichst mit einer Varianz geeigneter Sprachen. Ganz anders die Situation in der Diskothek, hier wird es auch nach Abschalten der Musik laut sein, vielleicht ist die Akustik ungünstig hallig, das Publikum ist eher jung, zwischen Erschrecken und trotziger Ablehnung kann mit ganz unterschiedlichen Reaktionen gerechnet werden, auch mit dem Einfluss von Alkohol und Drogen. Hier wird man vor allem einen jugendlichen Sprachkodex zu treffen versuchen, zugleich sollte ein stärkerer Nachdruck eine solche Durchsage auszeichnen und eine möglichst geschickt eingesetzte Autorität. Sprechtempo und Artikulation müssen der jeweiligen akustischen Umgebung angepasst sein, Fremdsprachen hingegen wird man nur benutzen, wenn mit großen Personenzahlen einer anderen vorhersagbaren Nationalität zu rechnen ist. Wesentlich ist hier, dass eine Mehrzahl versteht, der Rest wird über den Informationsfluss in der Menschenmenge erreicht.

Speziell wird es, wenn in eine abnorme Akustikumgebung eingesprochen werden soll, wie sie zum Beispiel in einem Straßenverkehrstunnel vorliegt. Über Personeneigenschaften kann dort zudem nur wenig vorhergesagt werden. Bekannt hingegen ist die akustische Tunnelsituation, bestimmt von extremen Lärmpegeln und unglaublichem Nachhall. Hier kommt es auf eine speziell verlangsamte Sprechweise und prägnanteste Artikulation an, damit die nötige Sprachverständlichkeit erreicht wird. Autofahrer fühlen sich innerhalb ihres Gefährtes oft viel zu sicher, die sofortige Lebensgefahr bei einem Tunnelbrand wird demnach selten richtig eingeschätzt (vgl. z.B. Abschlussbericht des Forschungsprojektes der Bundesanstalt für Straßenwesen, Verhaltensanweisungen bei Notsituationen in Straßentunneln, Färber & Färber, UniBW-München, 2009, Abschnitt 2.2 Fazit aus Unfallanalysen). Also ist immer ein ganz besonderer Nachdruck der Durchsage notwendig, in Kombination mit einer stimmlichen Souveränität, die keine panischen Reaktionen auslöst.