Das Schlangennest

Digitale Netzwerktechnik für alle

Schlagworte wie Multimedia und Netzwerktechnik sind heute in aller Munde. Und wer wollte sie nicht, die Annehmlichkeiten, welche die steuerbare und frei konfigurierbare, schöne neue Welt uns zu bieten hat. Leider gab es bisher nur einen, wenn auch wesentlichen Wermutstropfen, nämlich den relativ hohen Anschaffungspreis. Für alle, die warten mußten kommt nun „Land in Sicht“: CobraNet.

Was auf der NSCA 1996 in St. Louis nur einer kleinen Schar Ausgewählter vorgestellt wurde, in Charlotte, im April dieses Jahres bereits zum heimlichen Star zukünftiger Vernetzung avancierte, scheint sich nun, zur AES in New York, auf diesem interessanten Sektor als de Facto-Standard zur etablieren. Die Schar der Lizenznehmer schließt große Namen wie Peavey, die sich ja mit Media Matrix in den Vereinigten Staaten einen Namen in der Installationstechnik gemacht haben ebenso wie Crown oder LCS mit ein. Alle rechnen nach dem großen Erfolg, den die Entwicklerfirma Peak Audio mit Media Matrix hatte, wieder mit einem Volltreffer. Und es sieht trotz starker Konkurrenz auch ganz danach aus.

CobraNet bietet neben guten und zuverlässigen Eigenschaften vor allen Dingen folgende Vorteile: Es stützt sich bei der Übertragung auf Ethernetkomponenten und schlägt dabei gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe. Kostengünstige und leistungsstarke Ein- und Ausgabeeinheiten werden mit etablierter Netzwerktechnologie vereint und benützen dabei Netzwerkkomponenten des am weitesten verbreiteten Standards. Hierdurch reduzieren sich die Kosten für ein System dramatisch und es kommen Baugruppen höchster Zuverlässigkeit zum Einsatz.

Ethernet existiert schließlich in fast jedem Betrieb und vernetzt existierende Rechner in Theatern, Installationen, Hochschulen u.v.m. Diese Technik ist vollkommen akzeptiert und bedarf keiner weiteren Überzeugungsarbeit mehr. Und sollte doch einmal eine Netzwerkkomponente ausfallen, können preiswerte Ersatzteile in jedem gut sortierten Computerfachgeschäft oder Fachmarkt beschafft werden.

Technisch gesehen handelt es sich um ein System, welches den Transport von isochronen Datenströmen, so wie sie Audio- und Videoanwendungen fordern, über 10 und 100 MBit Ethernet Datennetze erlaubt, wobei einer Erweiterung auf z.B. 1 GBit jederzeit möglich ist. Es kann zusätzlich und problemlos asynchrone Steuerdaten transportieren, ohne dabei eine Konflikt mit den isochronen Daten hervorzurufen. Es verwendet ein sogenanntes „Reservation Protocol“, sowie eine erweiterte Media Access Control (Zugriffssteuerung), um dadurch die isochrone Datenübertragung auf Ethernet zu erreichen.

Durch geeignete Maßnahmen gelingt es CobraNet, die nicht deterministische Natur von Ethernet zu überwinden. Die zusätzlich übertragbaren Steuerdaten können sowohl isochroner, wie auch asynchroner Art sein, was den diversen Bestrebungen über eine Vereinheitlichung der Steuerprotokolle, wie auch einer herstellerübergreifenden Kompatibilität entgegenkommt. Hierdurch ergeben sich weitere Vorteile für das sogenannte Network Management, sowie bei der Überwachung der Knoten und einzelnen Teilnehmer. Die Eigenschaften dieses neuen Netzwerkprotokolls stellen sich wie folgt dar:

  • Fehlerlose Übertragung des System-Syncs mit niedrigem Jitter und minimierter Verschiebung
  • Deterministische Übertragung trotz vorhandener Kompatibilität mit dem standardisierten CSMA/CD Verfahren
  • Konvertierung von isochronen in synchrone Datenströme und umgekehrt
  • Geregelte asynchrone Datenübertragung

Die Kompatibilität zu standardisierten CSMA/CD Verfahren wirft natürlich sofort die folgende Frage auf: Was passiert mit den Audiodaten, wenn man im gleichen Netzwerk z.B. zusätzlich eine große Datei an einen einen angeschlossenen Server überträgt? Die Antwort fällt relativ einfach aus – die Audioübertragung wird unterbrochen.

CobraNet ist primär dazu gedacht, Audio- und Videodaten zu übertragen. Die zusätzliche Möglichkeit, geregelt (kontrolliert) asynchrone Datenströme mit aufzunehmen, verleitet sofort zur Annahme, normale Datenübertragungen, wie man sie aus dem Computernetz kennt, ebenfalls an die verschiedenen Teilnehmer senden zu können. Dem ist aber nicht so.

Das CobraNet-Protokoll legt fest, daß die Datenpäckchen für ungeregelten Ethernetverkehr – und dazu gehören nun einmal Filetransfers – sehr klein ausfallen (müssen!). Werden diese Päckchen zu groß, schränkt man also die zur Audioübertragung verfügbare Bandbreite ein, so kommt es zu unerwünschten Aussetzern. Gleichzeitig ist also eine extensive Nutzung des Netzes für normalen Datenverkehr und Audio-/Videoübertragung nicht möglich. Wenn Ihnen diese Einschränkung theoretisch als untragbar empfinden, dann lassen Sie sich die folgende Frage stellen: Wie viele Filetransfers wurden denn bisher innerhalb des Audionetzwerks vorgenommen?

Ich glaube, man kann ohne rot zu werden feststellen, daß wir bislang technologisch insgesamt noch nicht so weit sind, daß die großen Datenmengen umfangreicher A/V-Netze mit normalen Computernetzen preisgünstig vermischt werden könnten. Natürlich kann man argumentieren, daß da, wo Ethernet draufsteht, auch Ethernet Datenaustausch möglich sein sollte. Aber die kostengünstige Lösung und die Möglichkeit, günstige Komponenten, wie Ethernetkarten und Hubs im regulären Handel einzukaufen, sollten uns über diesen, vor allen Dingen in unseren Köpfen entstandenen Nachteil hinwegtrösten.

Vielleicht sollten wir einfach die Kirche im Dorf lassen, und uns über die Tatsache freuen, kostengünstigst Audio-, Video- und Computerdaten über weite Strecken vernetzen zu können, und dem Ziel einer multimedialen, lokalen Lösung immer näher zu kommen. Die neuen Technologien stellen eine ungeheure Herausforderung in den nächsten Jahren dar. Preiswerte Lösungen, die jedem den Einstieg erlauben sind nun vorhanden oder kurz vor der Fertigstellung.